Gehaltsangabe in Stellenanzeigen – Vor- und Nachteile

Vanessa Lellig
Juni 2022

Über Geld spricht man nicht – Tabuthema Gehalt

Über Geld spricht man nicht. Geld verdirbt den Charakter. Bei Geld hört die Freundschaft auf. Solche oder ähnliche „Weisheiten“ haben Sie doch sicher auch schon mal gehört?
Geld ist ein Thema, mit dem sich die meisten von uns zwangsläufig im Laufe ihres Lebens beschäftigen müssen, das gleichzeitig aber tabuisiert wird – im Berufsleben und oftmals sogar in Beziehungen.
Hartnäckig hält sich z. B. das Gerücht, man dürfe mit Kolleg*innen nicht über die Höhe des eigenen Gehalts sprechen. Dabei hat es durchaus Vorteile, wenn Arbeitnehmer*innen sich umhören und somit Vergleichswerte – für die nächste Gehaltsverhandlung – haben. Transparenz schafft auch mehr Gerechtigkeit, denn Frauen verdienen in Deutschland immer noch im Schnitt 6% weniger als ihre gleichermaßen qualifizierten männlichen Kollegen. Da hilft selbst ein Entgelttransparenzgesetz nur marginal. Zeitgleich machen andere Länder schon vor, dass es auch anders geht. Dieser Tanz ums „goldene Kalb“ führt u. a. auch dazu, dass viele Bewerber*innen bei der Frage nach ihrer Gehaltsvorstellung vollkommen überfragt sind, sich auf Schätzungen auf entsprechenden Portalen (s. u.) verlassen – und dann doch oftmals zu wenig einfordern und sich, wie es so schön heißt, unter Wert verkaufen.

Alles ungut und nicht schön, aber Sie fragen sich bestimmt, was das mit Ihnen als Arbeitgeber*in zu tun hat? Eine Menge …

Status quo und wohin soll es gehen?

In Stellenanzeigen eine Angabe zum Gehalt zu machen, ist in Deutschland nicht verpflichtend. Da sind unsere Nachbarn in Österreich schon weiter, denn dort ist die Angabe über das „Mindestentgelt“ seit März 2011 verpflichtend. Hierzulande tun sich Arbeitgeber*innen hingegen etwas schwer, freiwillig mit dieser Info herauszurücken bzw. sogar damit, eine bloße Gehaltsspanne anzugeben.
Dabei wünscht sich ein Großteil der Jobsuchenden eine Information zum Gehalt in Stellenanzeigen – auch wenn es nur ein Mindestgehalt oder eine grobe Gehaltsspanne wäre – und würde sich bevorzugt auf solche Stellenangebote bewerben. Arbeitgeber, die eine entsprechende Angabe veröffentlichen, machen sich bzw. ihre Stellenanzeigen also deutlich attraktiver … Aber der Reihe nach:

Die Vorteile einer Gehaltsangabe

Die Gehaltsangabe in Stellenanzeigen bringt nicht nur Bewerber*innen Vorteile (allen voran natürlich Transparenz und gerechtere Bezahlung), sondern auch Arbeitgeber*innen, denn es erspart Ihnen und Ihren Recruiter*innen in erster Linie eine Menge Arbeit:

Die Bewerbungsunterlagen einer*eines vielversprechende*n Kandidat*in sichten, Vorstellungstermine vereinbaren, die Zeit für diese Termine nehmen, dem Thema Gehalt während der wertvollen Gesprächszeit sehr viel Raum lassen – und dann feststellen: Man findet in Sachen Gehalt nicht zueinander und die Suche muss wieder von vorne beginnen … Sie kennen das vielleicht. Das raubt Zeit, die viele Recruiter*innen ohnehin zu wenig haben und sorgt im schlimmsten Fall dafür, dass die Stelle länger unbesetzt bleibt und Sie Geld kostet. Nennen Sie eine Gehaltsspanne von z. B. 40.000,- € bis 60.000,- €, wird sich sicherlich niemand bewerben, der mindestens 90.000,- € im Jahr haben möchte. Im ersten Moment klingt das nach „weniger Bewerbungen“, aber längerfristiger müssen Sie dadurch weniger vor und nach Bewerbungsgesprächen aussieben.

Apropos Effizienz: Würde über Gehälter offener gesprochen werden, wäre der Begriff „marktüblich“ nicht mehr so schwammig. Sie wüssten, was Ihre Konkurrenz tatsächlich zahlt und wie üblich Ihr eigenes Gehaltsgefüge sind – und könnten es gegebenenfalls anpassen, um sich wettbewerbsfähiger zu machen. Stand jetzt ist das Ganze jedoch mehr ein Stochern im Nebel, da ja niemand darüber sprechen mag … Sie haben also die Chance, daran mitzuwirken, den Nebel zu lichten!

Das bringt uns zu einem der vielleicht größten Vorteile einer Gehaltsangabe: Sie haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil anderen Arbeitgeber*innen gegenüber und werden herausstechen, positiv auffallen und somit Ihre Arbeitgebermarke stärken. Die Angabe des Gehalts (oder einer Gehaltsspanne) signalisiert Bewerber*innen zudem eine Wertschätzung seitens des*der Arbeitgeber*in – sozusagen ein „Ich weiß Leistung zu würdigen, indem ich sie angemessen entlohne“ zwischen den Zeilen. Ihre Transparenz macht deutlich, dass Sie nichts zu verheimlichen haben, wie z. B. eine unangemessene Bezahlung.

Gibt es überhaupt wirkliche Nachteile?

Natürlich hat alles zwei Seiten und die Angabe des Gehalts in Stellenanzeigen ist nicht nur positiv. Aber sind wir mal ehrlich: Wenn Sie mit dem Gehalt im Vorfeld hinterm Berg halten wollen, um Konkurrenzdenken zwischen Ihren Mitarbeiter*innen zu vermeiden, möglichst günstig einzustellen oder Bewerber*innen nicht zu vergraulen, sind das doch alles keine wirklichen Argumente gegen eine Gehaltsangabe.

Was jedoch ein wirklicher Nachteil ist: Sie legen sich frühzeitig fest und Ihnen entgeht die Möglichkeit, jemandem, den Sie auf jeden Fall für Ihr Unternehmen gewinnen wollen, freiwillig mehr zu zahlen. Auch jemandem, der Potenzial zeigt, aber nicht ganz den Anforderungen entspricht, können Sie nicht weniger Gehalt anbieten, als Sie angegeben haben. Die Gehaltsangabe mag also wohlüberlegt und nicht leichtfertig gemacht sein – oder Sie geben eine größere Spanne mit dem Hinweis, dass das Gehalt je nach Potenzial angepasst wird, an.

Übrigens: es empfiehlt sich auch, so genau wie möglich anzugeben, für was die Angabe gilt: Jahresgehalt mit wie vielen Gehältern – 12? 13? Und für wie viele Wochenstunden? Je genauer Sie hier in Ihrer Stellenanzeige sind, umso weniger Rückfragen seitens der Bewerber*innen werden notwendig sein.

Gehalt anders gedacht: New Pay

Lassen Sie uns noch einen kleinen Schlenker zum Thema Gehalt im Allgemeinen machen:
Klassischerweise sind für das Gehalt Faktoren wie Qualifikation, Erfahrung, Verantwortung, Betriebszugehörigkeit oder Tarifverträge entscheidend. Hinzu kommen vielleicht Provision oder (leistungsorientierte) Boni. Diese in Stellenanzeigen anzugeben ist natürlich nochmals um einiges schwieriger als ein festes Gehalt, das leistungsunabhängig gezahlt wird.
In Zeiten von agilen Arbeitsmethoden, Mobile bzw. New Work und einem größeren Unabhängigkeitsstreben der Arbeitnehmenden weichen die klassischen Vergütungssysteme mehr und mehr auf und es werden neue Wege gegangen, wie z. B. Erfolgsbeteiligungen oder demokratische Gehaltsabstimmungen im Team – vielleicht ist das ja auch was für Sie, wenn Sie sich schon mal an das Thema Gehalt machen? Wir finden es zumindest sehr spannend und sind neugierig, wie es sich weiterentwickeln wird.

Daten sind auch in Sachen Gehalt das neue Gold

Gehalt.de macht es vor, kununu und Glassdoor auch, StepStone zog im März 2021 nach: Im Netz kann man sich auch ohne direkte Gehaltsangabe in der Stellenanzeige selbst schlau machen, was man voraussichtlich verdienen wird.
Bei StepStone haben beispielsweise Daten-Expert*innen ein Prognosemodell auf Basis von rund drei Millionen Gehaltsdaten entwickelt. Bei der Gehaltsprognose werden verschiedene Faktoren, wie z. B. geforderte Qualifikationen, und Eigenschaften des Unternehmens, wie z. B. der Standort, miteinander kombiniert.

Die Datenlage kann hier allerdings in die Irre führen, da sie nur das abbildet, was vorliegt. Bei wenigen Gehaltsangaben im entsprechenden Berufssektor muss das angegebene Durchschnittsgehalt nicht der Realität und vor allem nicht dem Gehalt entsprechen, das Sie Ihren Mitarbeitenden zahlen. Liegen nicht genügend Daten zu einer Stelle vor (weil sie entweder sehr selten ist oder für den Arbeitsort noch keine Daten erhoben werden konnten), wird keine Gehaltsspanne angegeben und Bewerber*innen sind weiterhin kein Stück schlauer. Es sind eben am Ende nur Prognosen oder Schätzungen.
Überlassen Sie es also nicht den gesammelten Daten und den groben Schätzungen, Ihre potenziellen neuen Mitarbeiter*innen zu informieren, sondern geben Sie selbst das korrekte Gehalt bzw. die korrekte Gehaltsspanne an.
Übrigens: Auch wenn Google for Jobs mitnichten einen so durchschlagenden Erfolg in Deutschland hatte, wie von den Jobportalen befürchtet, ist es weiterhin eine gute, kostengünstige Möglichkeit, auf Ihre freien Stellen aufmerksam zu machen. Damit das noch besser funktioniert, geben Sie ein Gehalt an, denn Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe haben dort ein besseres Ranking. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil.

Die Entscheidung, ob Sie in Ihren Stellenanzeigen eine Angabe zum Gehalt machen wollen, können wir Ihnen nicht abnehmen. Gerne geben wir Ihnen aber das Rüstzeug mit, das Sie brauchen, um sich als Arbeitgeber*in bestmöglich zu präsentieren – kontaktieren Sie uns einfach.